Das erste Mal versuchten wir uns im Februar einer „Urban Jungle Week“ zu unterziehen. Große Mengen an saftig frischen Zimmerpflanzen waren bei uns eingezogen und verwandelten unsere Gärtnerei in einen wahren Dschungel. Komplettiert wurde unser Programm mit einer Umtauschbörse für Übertöpfe und dem alljährlich beliebten Umtopfservice von Orchideen und anderen Zimmerpflanzen.
Am Ende der Woche fanden sich rund 50 Besucher zum Fachvortrag „Social Media Pflanzen“ von Sebastian Sandner ein. Außerdem gab’s Vermehrungstipps vom Gärtnermeister Werner Sandner.
Die Rückkehr der Zimmerpflanzen
Lange waren sie sprichwörtlich weg vom Fenster. Die Farbe Grün und wucherndes Blattwerk bekam man kaum zu sehen, weder im trendy eingerichteten Wohnzimmer noch in Lifestylemagazinen. Klammheimlich stahlen sie sich jedoch zurück in unsere Häuser und Wohnungen. Werfen wir vorerst einen kurzen Blick zurück.
Was Zimmerpflanzen mit der Industrialisierung zu tun haben? Eine ganze Menge! Dank neu entwickelter Fertigungs- und Verarbeitungsmethoden wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts Glas für eine breite Bevölkerungsschicht erschwinglich – und die Fenster in den Häusern größer. Blumen auf der Fensterbank sperrten nicht länger das Licht aus und zogen nun auch in die Wohnstuben des Bürgertums ein; zuvor war die Pflanzenliebe nur in den gehobenen Schichten verbreitet, Stichwort Orangerien.
Die Liebe zu den Zimmerpflanzen wuchs in den kommenden Jahrzehnten des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts immer weiter – bis diese plötzlich als „spießig“ galten. So passten sie nicht mehr zu dem auf Minimalismus getrimmten Wohnstil der Neunzigerjahre, galten als unnötig und wenig dekorativ. Und heute? Heute wuchert es wieder! Gummibaum, Fensterblatt, Glückstaler & Co erzeugen urbanes Dschungelfeeling und mit den gerade besonders angesagten Sukkulenten, Kakteen und Bromelien ziehen bizarre Formen bei uns ein, die neben ihrem dekorativen Aussehen einen weiteren großen Pluspunkt haben: sie sind herrlich pflegeleicht.
Spätestens seitdem die Monstera, das Fensterblatt, im letzten Jahr seinen Eroberungszug durch unsere Wohnlandschaften angetreten hat, sind Zimmerpflanzen aus unserem Zuhause nicht mehr wegzudenken. Und nicht nur das: Vom einsamen Plätzchen auf der Fensterbank haben sie sich mittlerweile die Poleposition im Wohnbereich erkämpft – vom verzichtbaren Mitbringsel zum absoluten Must-have für ein besseres Wohngefühl.
Wer up to date sein will, kommt also ohne die wuchernde Pracht nicht mehr aus. Je wilder, umso besser lautet das Motto. Es kann gar nicht genug Grün und gar nicht genug Gewächs in unseren Räumen geben: die Pflanzen dürfen auf dem Boden stehen, sich auf Tischen, Regalen und Kommoden zur Schau stellen, von der Decke baumeln oder auch schräg an der Wand hängen und sind damit die Deko der Stunde.
Es ist eigentlich ganz egal, was all die Trendforscher, Fashionistas, Urban Jungle Bloggers, Hipster und Interior Designer meinen. Ein Stück Natur im Inneren, das Draußen nach drinnen zu holen – das entspannt, erfrischt, macht ausgeglichen, wirkt sinnstiftend und erzeugt ganz einfach Glücksgefühle.
So kommt der Dschungel ins Haus
Für wohnliches Dschungelfeeling sorgen große Blattschönheiten wie Monstera, Zamioculcas oder die Kentiapalme. Kombiniert man dazu einen hübschen Topf, erübrigt sich die Wandgestaltung von selbst: Die exotischen Gewächse können sich zu richtigen Giganten entwickeln und lenken den Blick sofort auf sich. Wer kleiner anfangen will, positioniert sie einfach auf dem Beistelltisch oder Hocker. Überhaupt sind Beistellmöbel der beste Freund in Sachen grüner Gestaltung. Auf ihnen kann man die pflanzlichen Kunstwerke ausstellen. Das können Stillleben sein, in denen man Lieblingsobjekte, Urlaubsmitbringsel oder ans Herz gewachsene Erinnerungsstücke mit verschiedenen Topfpflanzen verbindet, aber auch Schalen, Töpfe, oder Terrarien bekommen damit ihr wohlverdientes Podest. Angelehnt an ein Möbelstück kann auch die Blumenampel, die wieder im Trend liegt, ein witziger Hingucker sein.
Ausgiebiges Stöbern durch Keller, Dachboden oder Vorratsschrank kann sich lohnen. Vielleicht findet man dort ganz unverhofft fast vergessene oder verloren geglaubte Teile, die den Gewächsen zum großen Durchbruch verhelfen oder kreative Einfälle bringen. Das Motto lautet: Zweckentfremdung, um die Pflanzen ungewohnt zu präsentieren. Oder glauben Sie vielleicht, wir Gärtner und Floristen arbeiten anders?
Blattschönheiten
Eine Pflanze braucht keine leuchtende Farbe und keine Blüten, um unser Herz zu erobern. Viele grüne Giganten lenken allein mit ihrem formschönen Blattwerk alle Blicke auf sich. So kann man auch mit blättrigen Schönheiten das Zuhause in ein gemütlich-dekoratives Refugium verwandeln.
Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Was den einen verzückt, mag den anderen langweilen. Gerade in Einrichtungsfragen lässt sich über Geschmack leicht streiten. Dennoch gibt es einen gemeinsamen Nenner, auf den sich fast alle einigen können und der alle Modebewegungen und Stile überdauert: die Symmetrie. Was symmetrisch ist, betrachten wir Menschen als schön. Das beginnt beim menschlichen Gesicht und endet bei der Form von Blättern: Symmetrie ist vielleicht die natürlichste Art der Schönheit. Wenn man sich dieses Naturgesetz zunutze macht, kann man mit Pflanzen, welche die Natur mit einem besonders gleichmäßigen Blätterkleid ausgestattet hat, dem Heim Anmut ohne Arroganz verleihen.
Wie gelingt die Zurschaustellung der schönen Symmetrie? Ganz einfach: Sie braucht Raum zum Wirken. Es gibt eine Fülle an wunderschönen Gewächsen und Blattformen. Damit diese ihren Zauber entfalten können, sollte man sich für höchstens zwei bis drei Favoriten entscheiden, sonst stehlen diese sich gegenseitig die Show. Besonders große Kübelpflanzen wie die Monstera, deren Blätter derzeit die Trendsetter schlechthin sind, dulden nicht mehrere Schönheitsgöttinnen neben sich. Wenn sie an einer prominenten Stelle im Raum positioniert und gekonnt inszeniert werden, bringen sie ihre volle Pracht am besten zur Geltung.
Gerade bei Grazien wie der Monstera oder der eindrucksvollen Alokasie genügt oft schon einzelnes Blatt, um gehörig Eindruck zu schinden. Überhaupt ist die Alokasie die Aphrodite unter den Blattschönheiten. Von dem Aronstabgewächs gibt es über 70 verschiedene Arten. Allen Arten gemeinsam sind die riesigen metallisch glänzenden Blätter, welche die Form eines Pfeils nachahmen. Die prägnanten Blattadern wirken ungeheuer prunkvoll und betonen die spezielle Form.
Grün macht Hoffnung
Dass ein Spaziergang im Wald eine wahre Wohltat für unseren Körper ist, weiß wohl jeder: Das Laufen durch die Natur senkt den Blutdruck, erhöht die Lungenkapazität und verbessert unsere psychische Grundstimmung. Die wenigsten wissen jedoch, dass Zimmerpflanzen ähnlich wunderbare Begleiterscheinungen mit sich bringen.
Vor allem in Büroräumen herrscht des Öfteren mal dicke Luft – und das im doppelten Sinn. Die Anschaffung grüner Gewächse kann überraschenderweise gleich bei beiden Problemen helfen. Sie sorgen für frischere Luft, indem sie ihr Kohlendioxid entziehen und gleichzeitig Sauerstoff produzieren. Zudem erhöhen sie durch ihre stetige Verdunstung die Luftfeuchtigkeit. Zimmerpflanzen mit großen Blättern sind hier am effektivsten, denn diese verdunsten eine besonders große Menge des zugeführten Gießwassers. Im Winter mildern sie so die Auswirkungen der trockenen Heizungsluft, im Sommer kann man sich dank der Pflanzen über etwas niedrigere Raumtemperaturen freuen.
Auch gegen Müdigkeit sind viele Kräuter bzw. Pflanzen gewachsen. Dabei ist es relativ egal, zu welchem Grün man greift. Forscher haben nämlich herausgefunden, dass es die Konzentration erheblich fördert, hin und wieder eine Pflanze zu betrachten. Der Blick auf sie macht nicht nur deutlich wacher, sondern auch entspannter. So fällt die Arbeit gleich leichter.
Das Einblatt oder der Bogenhanf sind für den Arbeitsbereich empfehlenswert, da sie sehr robust und pflegeleicht sind. Andere sind Ruhepol im wahrsten Sinne des Wortes und wirken als Schalldämpfer. Manche filtern sogar Schadstoffe aus der Luft.
Eine Frage der Atmosphäre
Auf welchen Stil, welche Farben und Formen die Wahl beim Pflanzenkauf fällt, ist den Gewächsen grundsätzlich egal. Hauptsache man ist nett zu ihnen und bietet ihnen ein angemessenes Wohnklima. Deshalb sollte man genau darauf bei der Bestandsaufnahme den höchsten Wert legen und sich fragen: Welche Pflanzen passen in meine Atmosphäre?
Mit Atmosphäre sind verschiedene Kriterien gemeint, die zum Wohlfühlfaktor eines Gewächses beitragen. Dazu gehören die Lichtverhältnisse genauso wie die Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit. Man sollte deshalb genau beobachten, wie diese sich im Laufe des Tages und des Jahres verändern. Besonders der Lichteinfall ist für Zimmerpflanzen wichtig, da er maßgeblich für Gedeih und Verderb sein kann. Und geben Sie jeder Pflanze Zeit zur Eingewöhnung!
Aus dem grünsten aller Wohntrends ist übrigens eine ganze Bewegung geworden. Die Onlinecommunity Urban Jungle Bloggers verleiht ihrer Liebe und Leidenschaft für das Wohnen mit Pflanzen im Internet wort- und bildgewaltig Ausdruck und ist nicht zuletzt mitverantwortlich für das grüne Mehrinteresse vor allem junger Personen. Sie können sich dort eine Menge kreativer Inspirationen holen oder einfach nur staunen über so rasant wachsenden Enthusiasmus.
Mehr Infos unter www.urbanjunglebloggers.com!
Texte in diesem Artikel sind aus dem Buch:
Preis: €(A) 25,70 – Christian Verlag GmbH